Resilienz und Potential des sozialen Unternehmertums in Belarus angesichts aktueller Herausforderungen: Halbfinale des Projekts SocBizAccelerator

30.10.2021

Am 8. Oktober fand das Halbfinale des SocBizAccelerator-Projekts statt. Fünf belarussische Sozialunternehmen sind dabei in die engere Wahl gekommen und werden nun weiter im Rahmen des Projekts gefördert. Aufgrund der neuen COVID-19-Welle — die Pandemie stellt ja aktuell eine der größten Herausforderungen für die Privatwirtschaft dar — schalteten sich einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer online per ZOOM zu, um ihre Projekte vorzustellten. Diejenigen, die es bis in die IBB „Johannes Rau“ Minsk geschafft hatten, trugen Mund-Nasenschutz und benutzten Desinfektionsmittel.

Das Projekt SocBizAccelerator wird gemeinsam von dem IBB Dortmund (Deutschland), der Non-Profit-Organisation ODB Brussels (Belgien), der Akademie für soziale Unternehmer (Gomel, Belarus) und der belarussischen Non-Profit-Organisation Svet Dobra mit Förderung des Auswärtigen Amtes umgesetzt.

Begonnen hatte das Projekt SocBizAccelerator im Juni 2020 mit einem Bootcamp in der Nähe von Minsk, bei dem die Teams eine Diagnose für ihre Unternehmen erstellten und Strategien zur Verbesserung des Geschäftsmodells entwickelten. Seitdem gab es insgesamt vier Online-Zwischentreffen, bei denen die Teams Entwicklungen in ihrer Arbeit diskutieren konnten. Nun berichteten die Teams in ihren Pitches (wie man heute oft kurze Projektpräsentationen nennt, die das Interesse von Investoren wecken sollen), was sie in den vergangenen sechs Monaten erreicht, wie die Mentor*innen ihnen geholfen und welche Pläne sie für die Zukunft haben. Auch wenn es sich dabei noch um Mikroergebnisse handelt, man konnte das Vertrauen der Teams in ihr jeweiliges Unternehmen spüren und gerade das hilft, schwierige Krisenzeiten zu überstehen.

Neben den beteiligten Sozialunternehmen ist ein Team von Mentor*innen ein wichtiger Teil des Projekts. Sie sind in Techniken der Unternehmensdiagnose und des effektiven Coachings geschult und unterstützen die Teams in verschiedenen Fragen der Unternehmensentwicklung. In der letzten Online-Sitzung, in der die Unternehmen ihre Zwischenergebnisse vorstellen mussten, hatten die Mentor*innen bereits ihre Bewertungen abgegeben. So hatte jedes Team noch vor seinem Auftritt im Halbfinale eine bestimmte Anzahl von Punkten gesammelt. Fünf Kriterien für die Beurteilung waren dabei soziale Nachhaltigkeit, Finanzierungsmodell, Aktivität, Innovationsgrad und Ergebnis nach drei Monaten. Nachdem die Jurymitglieder nun die Pitches (offline bzw. online) angehört hatten, gaben sie ihre Noten ab. Dann wurde die Gesamtpunktzahl berechnet und fünf Finalisten-Teams ermittelt.

Jury des Halbfinales des Projekts SocBizAccelerator:

  • Igor Kolchenko, Geschäftsführer der PR-Agentur Sette
  • Aleksandr Pankov, Berater und Business-Trainer, geschäftsführender Partner der Beratungsgruppe Zdes i Seychas
  • Aleksandr Ivanov, Geschäftsführer des Privatunternehmens BelGazPromDiagnostika
  • Aliaksandr Skrabowsky (online), Leiter des Wettbewerbs für soziale Projekte Social Weekend

Vor Beginn der Veranstaltung wurde ausgelost, in welcher Reihenfolge die zehn beteiligten Teams der Sozialunternehmen auftreten würden. Die Zeit pro Präsentation war auf zehn Minuten begrenzt, danach stellte die Jury zusätzliche Fragen.

Das Team von Café 1505 aus Gomel trat als erstes auf, aber nicht nur dadurch blieb es den Teilnehmenden des Halbfinales und Gästen in Erinnerung: Die Sozialunternehmer brachten eine mobile Kaffeebar nach Minsk und verwöhnten alle mit leckerem Kaffee, Tee und anderen Köstlichkeiten. Gleich können wir vorausschauend sagen, dass das Team dank einem starken Auftritt und der guten Leistung in den drei Monaten (nämlich Gewinnsteigerung um 26 %) in die Endrunde gekommen ist.

Das Team der Fabrik für Spiel- und Kinderwaren Meteorit plus aus Gomel hat sich online zugeschaltet. Das Sozialunternehmen stellt unter anderem Spielzeug für Kinder mit Entwicklungsstörungen her und beschäftigt auch Frauen mit Behinderungen (gehörlos oder schwerhörig). Die Firma besteht seit über 16 Jahren und beliefert Kunden in ganz Belarus.

Сraft Gomel beschäftigt sich mit Vermarktung und Vertrieb von Erzeugnissen aus ökologischer Landwirtschaft. Ökolandwirte und ihre Produkte waren die Inspiration für das Projekt. Das Team brachte selbstgebackenes hefefreies Sauerteigbrot und Suluguni-Käse mit Bockshornklee zum Probieren mit. Ziel des Projekts ist es, die Lieferung regionaler Produkte zu organisieren und einen Ökomarkt einzurichten. Der Lieferservice muss noch von Grund auf neu entwickelt werden, aber es haben bereits Veranstaltungen im Rahmen des Stadtfestes stattgefunden.

Das nächste Projekt aus Gomel heißt Svoia shkola. Es geht um einen innovativen Ansatz für den modernen Unterricht, um auch zurückbleibende und demotivierte Kinder für das Lernen zu interessieren. Das Projektteam begründete die Aktualität des Vorhabens damit, dass es im Land immer weniger Schulen gibt und die Schülerzahlen in den Klassen steigen. Die Experten des Bildungszentrums wissen, wie man das Lernen für Kinder interessant und den Wissenserwerb effektiv gestaltet.

Die Fotoschule Za kadrom vermittelt fotografisches Fachwissen und fördert gleichzeitig kreative und psychologische Fähigkeiten des Einzelnen. Während der Teilnahme an dem Projekt und der Zusammenarbeit mit einem Mentor sind die Gewinne des Sozialunternehmens um 50 % gestiegen. Es ist geplant, dass ab 2022 auch Online-Fotokurse angeboten werden.

Das inklusive Familientheater i aus Minsk bringt heute 155 Kinder zusammen, von denen 68 Autismus haben. Am Theater sind 24 Pädagog*innen beschäftigt. Die Integration von Kindern mit Autismus in das normale Leben ist eines der Hauptziele des Projekts, das seit 2016 läuft. Neben Berufsschauspieler*innen stehen schauspielerisch geschulte Kinder, darunter auch Kinder mit Autismus, auf der Bühne. In den letzten Jahren wurde zehn Aufführungen vorbereitet. Die jüngsten Produktionen können sich in Bezug auf das Niveau der Inszenierung problemlos mit professionellen Theatertruppen messen. Die größte Herausforderung ist jetzt die Vermarktung der Methodik, die mit der richtigen Herangehensweise zu Geld gemacht werden kann.

Das Projekt Guliwood wurde von einer Sozialpädagogin ins Leben gerufen, die zugleich eine Mutter von sechs Kindern ist, um Eltern zu lehren, wie man effizient, gelassen, ruhig und selbstbewusst sein und seinen Kindern helfen kann, selbstständig zu werden. Das Unternehmen produziert und verkauft Balanciergeräte und Holzübungsgeräte und bietet Beratung an. Die Jury stellte fest, dass das Projekt mehr Gewicht auf den Vertrieb und die Erstellung des Geschäftsplans legen sollte.

Die in Minsk ansässige Online-Plattform Save us dient für eine transparente und einfache Mittelbeschaffung zur Unterstützung von Tieren. Um auch westliche Märkte zu erschließen, änderte das Team während des Projekts den Plattformnamen zu Fandy. Es werden Spendenaktionen organisiert, um Tiere zu behandeln und zu pflegen und sie dann an Familien zu vermitteln. Das Team entwickelt nun cloudbasierte Lösungen, um ähnliche Spendenplattformen für andere karitative Bereichen zu starten, wobei der Schwerpunkt auf den westlichen Märkten liegt.

Marina Kabadaryans Modeakademie war mit dem Projekt Life Again: Mode als Therapie vertreten. Die Initiative richtet sich an Frauen, die an Krebs erkrankt sind, und bringt ihnen das Modeln bei, um jeder Frau die Möglichkeit zu bieten, für belarussische Marken und Designer*innen auf den Laufsteg zu steigen. Die Modetherapie hilft Probleme, die nach der Krankheit und einer Behandlung bestehen, emotional zu bewältigen. Ziel ist es, zahlreiche Zweigstellen der Akademie in Belarus und den Nachbarländern zu eröffnen.

Das Zentrum für Kultur und Kunst Renessans klassiki ist ein Projektinkubator, eine Plattform, die sich auf die Unterstützung und Förderung klassischer Kunst, vor allem Musik, konzentriert. Bei allen organisatorischen und technischen Fragen — wie man ein Team zusammenbringt, den Verkauf von Konzertkarten organisiert, eine Tournee-Erlaubnis beantragt, hilft die Plattform kreativen, motivierten Menschen weiter.

Für das Finale, das im Dezember 2021 in Minsk stattfinden soll, qualifizierten sich folgende Projekte: Café 1505Svoia shkolainklusives Familientheater iRenessans klassikiSave us. An alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Akzeleratorprogramms sowie alle Mentoren wurden entsprechende Projektzertifikate verliehen.

Text: Valerija Nikolajtschik
Bilder: Boris Nikolajtschik und gemeinfrei
Quelle: https://by.odb-office.eu/

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