Bewertung des Beitrags von Non-Profit-Organisationen zur Wirtschaftsleistung

26.05.2020

Online-Seminar zum Thema „Bewertung des Beitrags von Non-Profit-Organisationen zur Wirtschaftsleistung“ am 19. Mai 2020 stattgefunden.

An der Veranstaltung nahm Lester M. Salamon, emeritierter Professor der Johns-Hopkins-Universität, Leiter des Center for Civil Society Studies an der Johns-Hopkins-Universität (USA), als Referent teil.

Die Veranstaltung wurde von der Repräsentanz des Internationalen Bildungs- und Begegnungswerks (Dortmund) in Minsk in Partnerschaft mit dem Büro des ständigen Vertreters der Vereinten Nationen in Belarus und dem Forschungsinstitut des belarussischen Wirtschaftsministeriums (NIEI) durchgeführt.

Das angekündigte Thema ist für Belarus recht neu. Bisher wurde nur sehr wenig über den Beitrag des Non-Profit-Sektors zur Entwicklung des Landes gesagt und geschrieben. Dies ist vor allem auf die Schwierigkeit zurückzuführen, diesen zu messen, und auf die vorherrschende Meinung, dass dieser Beitrag nicht groß genug ist, um ernst genommen zu werden.

Wie die Studien von Prof. Salamons Team allerdings gezeigt haben, hat der Non-Profit-Sektor jedoch einen bedeutenden Anteil am sozialen und wirtschaftlichen Wohlergehen der Bevölkerung.

Beim Webinar sprach Dr. Salamon über eine erstaunliche statistische Revolution, die auf der ganzen Welt stattgefunden hat. Alles begann in den 1970er Jahren, als in der Öffentlichkeit die Auffassung vorherrschte, dass die ehrenamtliche Tätigkeit zwar eine gute Sache sei, aber wirtschaftlich eher unbedeutend. Der Aufschwung der Zivilgesellschaft in den Vereinigten Staaten und den europäischen Ländern veranlasste die Wissenschaftler, das bürgerschaftliche Engagement neu zu betrachten und den Dritten Sektor mit wirtschaftlichen Analysemethoden zu untersuchen. Dr. Salamon war einer der Pioniere einer groß angelegten Studie über den Non-Profit-Sektor weltweit.

Dr. Salamon begann 1991 mit der Untersuchung des Non-Profit-Sektors im Rahmen des so gen. Comparative Nonprofit Sector Project am Center for Civil Society Studies der Johns-Hopkins-Universität (USA). Die Forschenden wurden mit einer vergleichenden Analyse des Non-Profit-Sektors in verschiedenen Ländern der Welt beauftragt. Ursprünglich war geplant, nur 8 Länder zu untersuchen, aber die Studie stieß auf großes Interesse, so dass das Projekt in knapp 30 Jahren auf 43 Länder ausgeweitet wurde.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass der Non-Profit-Sektor eine bedeutende wirtschaftliche Ressource darstellt. Insgesamt wurde festgestellt, dass der Gesamtbeitrag von Non-Profit-Organisationen (NPO) zum Welt-Bruttoinlandsprodukt (in Milliarden US-Dollar) als fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt bezeichnet werden kann.

Daraus lässt sich schließen, dass der Non-Profit-Sektor ein sehr leistungsstarker Akteur ist, der nicht nur in der Lage ist, Probleme in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Soziales zu lösen, sondern auch einen erheblichen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft nimmt.

Darüber hinaus konnte auch die wichtige Rolle von NPOs für den Arbeitsmarkt nachgewiesen werden (siehe Abbildung unten).

In den Niederlanden zum Beispiel beschäftigt der Non-Profit-Sektor 15,9 % der Erwerbsbevölkerung. Ein großer Teil dieser Arbeitnehmer (durchschnittlich 44 Prozent) wird dabei nicht bezahlt, d. h. sie arbeiten ehrenamtlich.

Die Ergebnisse der Studie wurden im Buch „Global Civil Society. Dimensions of the Nonprofit Sector“ (Band 2) (auf Englisch) veröffentlicht. Darauf aufbauend wurde unter anderem die UN-Methode zur empirischen Erfassung der Leistung von zivilgesellschaftlichen Organisationen entwickelt, die sich im Handbuch  „UN Handbook on Nonprofit Institutions in the System of National Accounts“ (auf Englisch) aus dem Jahr 2003 widerspiegelt. Dieses Handbuch hat die Statistik revolutioniert, weil es bisher verborgene Akteure der Wirtschaftsbeziehungen sichtbar gemacht hat.

Darüber hinaus wurden die Ergebnisse der Studie auch bei der Erstellung des Leitfadens „Manual on the measurement of volunteer work“ (auf Englisch) verwendet, den die Internationale Arbeitsorganisation 2011 veröffentlichte. Die weitere Forschung zur Sozialwirtschaft ergab, dass es neben dem Non-Profit-Sektor eine Reihe anderer Akteure gibt, deren Bedeutung für die Wirtschaft bisher nicht oder nur unzureichend gemessen wird, wie etwa Sozialunternehmen und Genossenschaften sowie nicht organisierte Freiwilligenarbeit. Infolgedessen erschien 2018 ein UN-Leitfaden zur sozioökonomischen Dimension des breit verstandenen Dritten Sektors, um die Situation zu verbessern.

Prof. Salamon und sein Team arbeiten nun in vielen Ländern intensiv an der Erfassung des Non-Profit-Sektors in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der einzelnen Länder. Laut Dr. Salamon haben seine Studien die Bedeutung des Non-Profit-Sektors für die gesellschaftliche Entwicklung und das Erreichen der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) klar gezeigt. Obwohl viele Regierungen inzwischen aktiv mit NPOs zusammenarbeiten, ist der Sektor immer noch wenig sichtbar, vor allem in Ländern, in denen seine Rolle und Bedeutung in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen nicht statistisch erfasst wird.

Die Erforschung der Rolle der Zivilgesellschaft in Belarus hat gerade erst begonnen. Zhanna Grinevich, Leiterin der Abteilung für öffentliche Verwaltung und Regulierung von Eigentumsverhältnissen des Forschungsinstituts NIEI, berichtete über eine Studie ihrer Einrichtung zum Stand des Non-Profit-Sektors im Land und seinem Einfluss auf das Wirtschaftswachstum. Sie wies darauf hin, dass in Belarus keine derartigen Untersuchungen bisher durchgeführt worden seien. Die Besonderheit dieser Studie sei der Blick auf den Non-Profit-Sektor als Wirtschaftsakteur, insbesondere die Bewertung seines Beitrags zur Wirtschaft, d. h. seines direkten und indirekten Einflusses auf das Wirtschaftswachstum. Zhanna Grinevich stellte fest, dass der Einfluss des Non-Profit-Sektors auf die Wirtschaft immer noch unterschätzt werde.

Valery Zhurakovsky, Vorstandsvorsitzender der internationalen NGO ACT, stellte internationale Erfahrungen mit der Anwendung von Instrumenten und Mechanismen zur Stärkung der Rolle des Non-Profit-Sektors in der sozioökonomischen Entwicklung (auf Russisch) vor. Am Beispiel von Ländern wie Kanada, Estland, den USA und anderen zeigte Valery Zhurakovsky das Entwicklungspotenzial des Dritten Sektors auf, das auch in Belarus durch ein effektives System der Förderung von NPOs zur Geltung kommen kann. Solche Unterstützungsangebote können insbesondere ein Systems staatlicher Zuschüsse, eine stärkere Berücksichtigung von Waren und Dienstleistungen von NPOs bei öffentlichen Beschaffungen, die Förderung sozialer Unternehmen, ein besseres System von Steuervergünstigungen für NPOs, die Ermöglichung der Finanzierung durch Endowments usw. umfassen. Die Entwicklung bestehender und die Entstehung neuer NPOs könnten ihren Beitrag zur Lösung sozialer Probleme erheblich steigern und sich auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes positiv auswirken.

Die Ergebnisse der Veranstaltung sind mit einem Zitat des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon aus dem Dezember 2014 am besten zusammenfasst: „Die Umsetzung der Agenda 2030 erfordert, dass die Zivilgesellschaft als Teilnehmer, Mitgestalter und starker Motor des Wandels und der Transformation dient.“ Vielleicht liegt gerade hier das zukünftige Entwicklungspotenzial von Belarus.

Die Präsentationen des Webinars finden Sie unter den entsprechenden Links:

Den Dritten Sektor auf die Weltwirtschaftskarte setzen: Eine Revolution in der Statistik (Lester M. Salamon) (auf Russisch)

Internationale Erfahrungen mit der Anwendung von Instrumenten und Mechanismen zur Stärkung der Rolle des Non-Profit-Sektors in der sozioökonomischen Entwicklung ( Valery Zhurakovsky)

Das Video des Webinars ist auf dem Youtube-Kanal des Förderprogramms Belarus verfügbar (auf Russisch)https://www.youtube.com/channel/UC1tHD7w4Gat-Z-FVDkGfuiA

 

 
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